Jahrzehntelang war er Stimme und Frontmann der DDR-Rockband City, die sich Ende 2022 auflöste. Sänger Toni Krahl wird nun 75 Jahre alt – und liebt die Bühne immer noch.
Seine erste Band hieß Wurzel minus 4. Es war eine Schülerband in der DDR und er der Gitarrist. Die Band, in der er mehr als ein halbes Leben verbrachte, hieß City. Er war der charismatische Sänger und wurde ein Rockstar: Mit City («Am Fenster») feierte er vor und nach dem Mauerfall große Erfolge, in Ost und West. Doch Ende 2022 löste sich die Band auf. Toni Krahl ist seither als Gastmusiker mit den befreundeten Kollegen der Band Silly unterwegs. Am 3. Oktober wird er 75 – und steht in den Startlöchern für seine erste Solo-Karriere.
«Ich produziere mein erstes Solo-Album», berichtet er der Deutschen Presse-Agentur wenige Tage vor seinem Geburtstag. Auch eine Tour sei geplant. Er stelle sich gerade eine Band zusammen, die Kings vom Prenzlauer Berg. Benannt nach einem City-Song. Auf dem Album soll es aber «ausschließlich neue Lieder geben, keinen City-Aufguss», sagt der Musiker. Im Konzert will Krahl dann aber auch Titel seiner alten Band spielen. «Ich habe Sehnsucht nach diesen Liedern. Mein Herzblut hängt daran», berichtet er.
Die vergangenen rund fünf Jahre waren nicht leicht für den Musiker, der einer der bekanntesten Rocksänger aus dem Osten Deutschlands ist. Im Mai 2020 starb City-Schlagzeuger Klaus Selmke an Krebs. Ein schwerer Schlag für die Band.
Die vier verbliebenen City-Mitglieder beschlossen, Ende 2022 aufzuhören. 50 Jahre nach der Gründung der Band. Zur letzten Besetzung gehörten neben Krahl noch Gitarrist Fritz Puppel, Geiger Joro Gogow und Keyboarder Manfred Hennig. 10 000 Fans kamen zum Abschiedskonzert in Berlin.
Im Februar 2024 starb überraschend Fritz Puppel, auch privat ein enger Weggefährte von Krahl. «Natürlich fehlen mir meine Freunde Fritz und Klaus», sagt der Sänger. «Entscheidungen muss ich nun alleine fällen.» Selmke und Puppel hatten City 1972 in Ost-Berlin gegründet. In einem Club in Berlin-Köpenick gab es vor etwa 200 Zuhörern das erste Konzert. Im Repertoire: Lieder etwa von Santana, den Rolling Stones und Jimi Hendrix.
Krahl war noch nicht dabei. Er hatte, nachdem er 1968 als Abiturient gegen den Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts in Prag protestiert und deswegen in Haft gesessen hatte, die Band Die Kleinen gegründet. «Als Bühnengarderobe zog ich vorzugsweise die Schlafanzugoberteile meiner Mutter an, samtig-seidenes Zeug… dazu Schlaghosen», schrieb er in seiner Autobiografie «Toni Krahls Rocklegenden» (2016). Nebenher erwarb er damals noch seinen Facharbeiterabschluss als Blechschlosser.
1975 kam dann die Chance seines Lebens: Bei der Band City sollte der damalige Sänger Emil Bogdanow zum Wehrdienst eingezogen werden, er tauchte in Schweden ab. Krahl übernahm das Mikrofon. Aber er hatte es nicht leicht, denn das Publikum hatte seinen Vorgänger sehr gemocht. «Es dauerte bestimmt ein halbes Jahr und einige Male „Sex Machine“, um mich durchzusetzen. Manchmal war es wirklich zum Verzweifeln», schrieb er in der Autobiografie.
Doch der charismatische Frontmann der Band gewann schließlich die Herzen der Fans; zuletzt mit Glatze, Sonnenbrille, auffälligen Halsketten und schon immer mit seiner unverwechselbaren rauchigen Stimme. Diese sei inzwischen tiefer geworden, berichtet Krahl. «Musik ist mein Lebensmittelpunkt. Ich kann nicht ohne Musik und ohne Applaus», betont er kurz vor seinem Geburtstag, an dem er erstmals seit Langem wieder eine Party mit Freunden und Kollegen feiern will.
Noch bis März 2025 steht er als Gast bei Silly mit auf der Bühne. Die Silly-Kollegen seien nicht froh darüber, dass er bald eigene Wege gehe. Aber sie könnten es verstehen. «Ich bin sehr gut aufgenommen worden bei ihnen und habe mich sehr wohlgefühlt. Es sind tolle Kerle», sagt er. In den vergangenen knapp zwei Jahren seit dem City-Abschied habe er aber auch viel zu Hause gesessen und mit der Gitarre Lieder komponiert. Im Frühjahr kommenden Jahres soll es dann richtig losgehen mit der Produktion des Soloalbums. Der Name der Platte und der Tour steht schon: «Genauso war’s».