Start Schlager-News Claudius Dreilich (Karat): Kinderzimmer-Monster

Claudius Dreilich (Karat): Kinderzimmer-Monster

Diese Erfahrung lässt Claudius Dreilich, heutiger Frontmann der Band Karat, bis heute nicht los. Als er als kleiner Junge abends im Bett lag und Karat-Gründungsmitglied Neumi Neumann mit einem Monsterkopf ins Kinderzimmer stürmte und ihn erschreckte.

„Es gab damals ganz viele Treffen bei uns zu Hause in Halle“, erinnert sich Claudius Dreilich im Interview mit Schlager Radio. „Es gab da eine große Party und ich hatte mein Kinderzimmer ganz oben unterm Dach. Ich musste früh ins Bett an diesem Abend. Da war ich natürlich nicht glücklich drüber und ich lag da im Bett so ein bisschen sauer. Plötzlich hörte ich das Knacksen der Treppe und ein Poltern als plötzlich dann die Tür aufsprang und ein großer gebastelter Monsterkopf in mein Zimmer rannte. Dieser lachte ganz laut und drehte sich wieder um.“ Der Kopf sei extra für Bühnenauftritte gebastelt worden-, für das Stück das Monster. Dreilich weiter: Das Ergebnis war, dass ich eine halbe Stunde Starr im Bett lag und meine Mutter stinksauer auf Neumi war. Ich habe ihm das dann auch Jahre lang etwas krumm genommen. Heute haben wir uns aber wieder lieb.

Nach dem Tod seines Vaters Herbert Dreilich im Jahr 2004 sprang Claudius Dreilich für ihn ein und ist bis heute Frontmann und Sänger von Karat. Die Band feiert in diesem Jahr ihr 50-Jähriges Bestehen.

Morgen gibt Karat in Berlin ein Jubiläumskonzert. „Wir werden neue Songs vorstellen und alte Songs würdigen“, sagt Claudius Dreilich. Es ist aber kein einziger jener Musiker mehr dabei, die einst beim ersten Karat-Konzert auf der Bühne standen.

Schnellstart in den 70ern

Im Kulturhaus «Otto Buchwitz» in Heidenau nahe Dresden wird am 22. Februar 1975 Musikgeschichte geschrieben: Bassist Henning Protzmann, Gitarrist Ulrich Pexa, Schlagzeuger Konrad Burkert, Keyboarder Ulrich «Ed» Swillms sowie die Sänger Hans-Joachim Neumann und Herbert Dreilich stehen das erste Mal gemeinsam auf der Bühne. Ihre Band heißt Karat. 

Schnell wird die neue Gruppe mit ersten eigenen Titeln wie «Leute welch ein Tag» im DDR-Rundfunk gespielt. 1976 bekommt die junge Berliner Band beim III. Interpretenwettbewerb der Unterhaltungskunst in Karl-Marx-Stadt eine Silbermedaille. Die erste LP erscheint 1978. Nur drei Jahre nach Bandgründung schafft Karat den Sprung nach ganz oben. 

Über «Sieben Brücken» bis in die Hitparade

Ein DDR-Fernsehfilm wird zum riesigen Glücksfall. Er heißt «Über sieben Brücken musst du gehn». Keyboarder Ed Swillms, Verfasser vieler Hits der Band, vertont den gleichnamigen Titelsong. Beim Internationalen Schlagerfestival 1978 in Dresden gewinnt Karat mit dem Lied den Grand Prix. Die Single schafft es in der DDR-Jahreshitparade auf Platz 2 – hinter «König der Welt», ebenfalls eine Ballade von Karat. 

Auch beim «Klassenfeind» westlich der Mauer kommt die Single «Über sieben Brücken musst du gehn» in die Läden. Peter Maffay hört den Titel im Radio und ist so begeistert, dass er ihn covert. 

Auch diese Version wird ein großer Hit – im Westen Deutschlands. Seit 1990 singt Maffay ihn immer mal wieder zusammen mit seinen Freunden von Karat. Auch viele andere erfolgreiche Sänger haben die «Sieben Brücken» gecovert, etwa Heinz Rudolf Kunze, Helene Fischer, Chris de Burgh und Roland Kaiser.

Devisen für die DDR

Als erste DDR-Band darf Karat ab 1979 alle Platten in Ost und West herausbringen. Sie werden millionenfach gekauft und sind eine wertvolle Devisen-Quelle für den sozialistischen Staat: 80 Prozent der Einnahmen durch Schallplatten und Konzerte im Westen flossen in die Staatskasse der DDR, wie Claudius Dreilich berichtet. 

1982 wird das Album «Der blaue Planet» ein Riesenerfolg. Die Single «Jede Stunde / Falscher Glanz» erklimmt die Top Ten in der BRD. Karat tritt in der ZDF-Hitparade von Dieter Thomas Heck auf, schafft es dort mit «Jede Stunde» auf den zweiten Platz. Auch bei «Wetten, dass..?» singen die DDR-Balladenkönige. Moderator Frank Elstner bezeichnet sie als «Diamant der Popgruppen der DDR».

Der lange Schatten der ersten Jahre

Als Karat 15 Jahre alt ist, verschwindet die DDR. Im Jahr 2025 sind es 35 Karriere-Jahre im vereinten Deutschland. Noch immer werden die Berliner als DDR-Band oder Ost-Band bezeichnet. 

Dreilich hat sich darüber schon viele Gedanken gemacht und ist zum Schluss gekommen: «Es lässt sich nicht wegreden. Ich empfinde es als Güte-Siegel.» Musik von Bands mit DDR-Wurzeln sei ein richtiges eigenes Genre geworden. Alle großen Karat-Hits entstanden vor dem Mauerfall.

Krebstod und K…!

Nach dem Mauerfall gibt es auch für Karat eine Karriere-Delle, die Fans zieht es zur Westmusik. Aber bald kehren sie zurück. 

Doch im Oktober 1997 erleidet Sänger Herbert Dreilich bei einem Konzert einen Schlaganfall. Rund ein halbes Jahr später steht er wieder auf der Bühne, aber es bleiben ihm danach nur noch einige Jahre. Im März 2004 gibt das Karat-Management bekannt, dass Dreilich an Leberkrebs erkrankt ist. Am Ende des gleichen Jahres stirbt er – mit 62 Jahren. 

Jubiläumstour: Von Elphi bis Westfalenhalle 

50 Jahre Karat, das heißt auch: Es gibt ein neues Album samt ausgiebiger Jubiläumstour. Bis Dezember sind bundesweit knapp 60 Konzerte terminiert – unter anderem in der Hamburger Elbphilharmonie und der Dortmunder Westfalenhalle. 

Am 22. Februar, dem Band-Geburtstag, erscheint das neue Album «Hohe Himmel». Dreilich beschreibt die Gemeinsamkeit der neuen Songs so: «Es geht einzig und alleine um den Menschen. Um die Schattenseiten und die Sonnenseiten.» Und es gilt weiterhin: «Wir arbeiten viel mit Metaphern und zynischen Andeutungen. Und es muss eine Spur Lyrik dabei sein.»

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