Die Nachricht von der Trennung von Thomas Anders und Dieter Bohlen bedeutete das Ende von Modern Talkting. Das ist jetzt 20 Jahre her. Heute macht Thomas Anders Schlager. In seinen Memoiren erinnert sich der Sänger an turbulente Zeiten.
Thomas Anders ist in seinen Memoiren keine Metapher zu krachend, um das zu beschreiben, was sich am 7. Juni 2003 zutrug. «Die Bombe war explodiert», erinnert sich der Sänger in seinem Buch «100 Prozent Anders», das den verheißungsvollen Untertitel «Die Wahrheit über Modern Talking, Nora und Dieter Bohlen» trägt. Eine «Erfahrung wie bei einem gewaltigen Gewitter» sei der Moment gewesen, dem er damals beigewohnt habe, schreibt Anders. «Die Menschen blicken zum Himmel, sehen den Blitz – und mit leichter Verspätung kommt dann der ohrenbetäubende Knall.»
Was war passiert? Nun, es war nicht das Ende aller Tage, wie man aus der aufgerufenen Symbolik ableiten könnte. Aber es war das Ende eines Pop-Duos: Modern Talking, dessen eine Hälfte der 60-Jährige damals war, flog auseinander. Dieter Bohlen – die andere Hälfte – erklärte an diesem Abend des 7. Juni 2003 einem völlig verdutzten Publikum im Ostseestadion von Rostock, dass es vorbei sei. Modern Talking gehe getrennte Wege. Und nicht wenige ahnten: Das war es nun für immer.
Man ist geneigt, das im Rückblick alles etwas albern zu finden. Die biblische Bedeutsamkeit, die aus Anders‘ Worten zum Leser spricht, passt nicht wirklich zur musikalischen Leichtgewichtigkeit, die Modern Talking zeitlebens zugeschrieben wurde. Oder vielleicht doch? Die Trennung liegt nun genau 20 Jahre zurück. Zeit für ein Fazit.
Zunächst die Fakten: Angefangen hatte alles Mitte der 80er Jahre. Dieter Bohlen, vor allem Komponist und Produzent, und Thomas Anders, vor allem Sänger, taten sich zu Modern Talking zusammen. Und die ganze Inszenierung lief darauf hinaus, dass man die beiden Männer als Gegensätze wahrnehmen sollte – der stylische Popper mit Locken, Lipgloss und reichlich Bräune (Anders) traf auf einen eher kernigen, blonden Norddeutschen mit pastellfarbenen Trainingsanzügen (Bohlen).
Im Januar 1985 stieg «You’re My Heart, You’re My Soul» (übersetzt: Du bist mein Herz, du bist meine Seele), in die deutschen Hitparade ein. Danach wurde Modern Talking schnell ein Phänomen. Von den einen belächelt, von den anderen geliebt – und ungemein erfolgreich. Bis heute wurden Millionen Tonträger verkauft. 1987 trennte sich Modern Talking zum ersten Mal, begleitet von Wortgefechten.
1998 folgte das Comeback – und es war kein kleines. Bohlen und Anders traten bei «Wetten, dass..?» auf, der größten Messe, die damals im deutschen Fernsehen gelesen wurde. Eingebettet in die Kitsch-Kulisse der Kuppel-Show «Herzblatt» nahm Moderator Thomas Gottschalk den beiden Musikern das Gelöbnis ab, sich künftig zu vertragen. Dann ging quasi alles von vorne los: Als erstes spielten sie ein neue Version von «You’re My Heart, You’re My Soul». Und der Erfolg kam zurück.
Bis eben 2003. Blättert man sich durch die Bücher, die Bohlen und Anders für die Nachwelt hinterlassen haben, so sollen Auftritte von Anders – ohne Bohlen – in den USA zu einem Streit vor dem Konzert in Rostock geführt haben. Der Eindruck, der sich aber nach der Lektüre der Bücher und vieler Interviews so grundsätzlich verfestigt wie der Refrain von «Cheri Cheri Lady» nach dem zweiten Hören, ist: Da passten einfach zwei so gar nicht zueinander.
Bohlen, der Komponist, urteilt über Anders, den Sänger, in seinem Buch «Nichts als die Wahrheit» gönnerhaft so: «Natürlich ist mir auch klar, dass er darunter leidet, wenn in den Zeitungen unter der Rubrik „Die ewigen Zweiten“ Bayer Leverkusen, Pepsi Cola und Thomas Anders stehen (…)» Aber es sei so: «Es kann nur einen geben. Der bin ich. Aber für ihn gibt’s ja den Posten des Vize-Größten.» Und das ist noch eine der netteren Passagen in Bohlens Buch. In «Hinter den Kulissen» wirft er seinem Ex-Partner hinterher: «Solltest du ein Angebot von den Flippers oder den Kastelruther Spatzen kriegen, schlag sofort zu, bevor sie es sich anders überlegen können.»
Anders wiederum schreibt: «Es gibt wohl in Deutschland keinen Prominenten, der öffentlichkeitsgeiler ist als Dieter.» Über die Zusammenarbeit, die schwierig und erfolgreich zugleich war, sagte er 2011 auch mal: «Vielleicht ist es auch so vom lieben Gott gewollt, dass ganz große Erfolge immer mit einem Opfer getragen werden müssen.» Manch einer mag an die Leiden Christi denken.
Dass dieses Duo wenig überraschend auseinanderflog, sei dennoch eine Zäsur gewesen, sagt Marcus S. Kleiner, Professor für Medienwissenschaft an der SRH Berlin University of Applied Sciences. «Musikalische Genies waren sie zwar nicht, aber sehr erfolgreich. Jeder kannte die Songs und kennt sie heute», bilanziert er. Modern Talking stehe für die 80er und deren Zeitgeist – sowohl musikalisch als auch ästhetisch. Und das durchaus nachhaltig. Der Eurodance in den 90ern habe bereits auf den Erfolg der beiden rekurriert.
Überdies müsse man sehen, dass die beiden Generationen verbunden hätten – es sei «Schunkelmusik für die ganze Familie» gewesen, wie es Kleiner nennt. «Sie waren die trashigsten Deutsch-Popstar in den 80ern. Das hatte natürlich auch etwas Prolliges. Aber sie waren eben auch Giganten», sagt Kleiner. «Trash-Giganten.»